Schlichtung ist kein Hebel sondern ein Knebel

Sofortige Kündigung des Schlichtungsabkommens durch ver.di ist angesagt

Kaum hat die Tarifrunde im öffentlichen Dienst begonnen, erfahren wir über die Presse, dass darüber nachgedacht wird, den Konflikt durch eine Schlichtung zu beenden. Angeblich sind sowohl die Arbeitgeber als auch ver.di auf der Suche nach geeigneten Schlichtern.

Erinnern wir uns: Im Jahr 2000 wurde ein Streik durch ein Schlichtungsverfahren und anschließenden Nachverhandlungen sabotiert. Das war das i-Tüpfelchen im Übergehen des Votums der Mitglieder in der damaligen Tarifrunde. Bereits bei der Aufstellung der Forderung wurden Festgeldforderungen von 200 bis 600 Mark aus den Betrieben ignoriert. Als offizielle Forderung beschloss die Bundestarifkommission 5%. Die Basis wollte zumindest, dass diese bescheidene Forderung voll durchgesetzt werde. Bei den Warnstreiks gab es eine sehr gute Beteiligung. Nachdem die Verhandlungen  gescheitert  waren, riefen die Arbeitgeber die Schlichtung an. Der Schlichterspruch wurde  mit 75 zu 50 Stimmen von der Bundestarifkommission  abgelehnt.

In der darauf folgenden Urabstimmung stimmten 76,2% der ÖTV- und 90,8% der GEW-Mitglieder für Streik und gegen den Schlichterspruch. Anstatt jetzt den Streik zu organisieren, verhandelte die ÖTV-Führung erneut auf der Grundlage des Schlichterspruchs. Am Ende war das Ergebnis durch eine Laufzeit von 31 Monaten noch schlechter als der Schlichterspruch: 1,8% im Jahr 2000, 1,3% für 2001 und eine Nullrunde 2002

Dieser Ausverkauf im Jahr 2000 führte zu einem enormen Unmut. Bei der Urabstimmung über die Annahme des Ergebnisses beteiligten sich weniger als 50% der Mitglieder. Von den Abstimmenden stimmten 60%, d.h. 25% der Abstimmungsberechtigten für den Abschluss. Kurz darauf – im Juli 2000-  wurde der Abschluss bei der ÖTV-Arbeiterkonferenz heftig kritisiert. Die Konferenz beschloss einen Nachschlag zu fordern und diesen per Kampfmaßnahmen durchzusetzen. Dieser Beschluss wurde von der ÖTV/ver.di-Führung einfach nicht umgesetzt.
Weil der Kampf 2000 über ein Schlichtungsverfahren sabotiert wurde, forderten viele Gliederungen, die Kündigung des Schlichtungsverfahrens.

Beim ÖTV-Gewerkschaftstag im Oktober 2000 in Magdeburg gab es 10 Anträge gegen das Schlichtungsverfahren. In dem Antrag der Kreisdelegiertenversammlung Stuttgart-Böblingen hieß es u.a.: „Tarifverhandlungen sind Auseinandersetzungen zwischen zwei Verhandlungspartnern, die im Wesentlichen direkt entgegengesetzte Interessen haben. Zur Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer ist geeigneter Druck bei den Verhandlungen aufzubauen, um auf der Basis einer gewissen Stärke zu einem für die ÖTV-Mitglieder akzeptablen Kompromiss zu kommen. Die durch die Schlichtungsvereinbarung erzwungene Zwangsschlichtung und Friedenspflicht gaukelt Kompromissfähigkeit zugunsten der Arbeitnehmer durch „unabhängige“ Schlichter vor. Die Friedenspflicht unterbricht und schwächt den aufgebauten Druck zum Nachteil der Arbeitnehmer beim Ergebnis“.
Aufgrund des Drucks von unten beschloss der ÖTV-Gewerkschaftstag die Kündigung des Schlichtungsabkommens. Im September 2002 – kurz vor der Tarifrunde 2002/3 – wurde von ver.di jedoch eine neue Schlichtungsvereinbarung mit den Arbeitgebern abgeschlossen.
Die Reallohnverluste aus den Tarifrunden davor, führten dazu, dass in der Tarifrunde 2002/3 ein enormer Druck im Kessel war. Bei einem Warnstreik am 17.12.02 legten in 200 Städten mehr als 110.000 Müllwerker, Erzieherinnen und StraßenbahnfahrerInnen und Beschäftigte an den Flughäfen die Arbeit nieder. Wieder wollte die ver.di-Führung einen Streik verhindern und rief von sich aus die Schlichtung an. Die Schlichtungsempfehlung war die Grundlage für den miserablen Abschluss 2003: Bei einer Laufzeit von 27 Monaten bedeuten die 4,4% eine effektive jährliche Erhöhung von 1,5%. Diese Erhöhung wurde kompensiert durch Wegfall des letzten AZV-Tages, Einfrieren des Weihnachtstgelds, Verschlechterung bei den Altersstufen und Auszahlung der Löhne und Gehälter zum Monatsende, statt Monatsmitte).
In der Tarifrunde 2005 folgte das Desaster TvöD und drei Jahre Nullrunde bei den Tabellenlöhnen.

Es ist Zeit, dass endlich die Kampfkraft eingesetzt wird, um was für uns rauszuholen.

Dafür brauchen wir Streik und keine Schlichtung.

Wie im alten Abkommen wurde in der neuen Schlichtungsvereinbarung ein Einlassungszwang vereinbart. D.h. wenn die Arbeitgeber eine Schlichtung verlangen, muss sich ver.di darauf einlassen. Wieder gilt für die Zeit der Schlichtung Friedenspflicht.

Wir lehnen dieses Verfahren ab. Schlichtung ist kein Hebel, sondern eine Knebel. Die Belegschaften werden dadurch als Akteure der Tarifrunde ausgeschaltet. Das bestehende Schlichtungsabkommen kann laut § 11 mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Wir fordern, dass diese Kündigung sofort erfolgt.
Wir fordern alle Kolleginnen und Kollegen auf, sich mit uns für die Kündigung des Schlichtungsabkommens einzusetzen. Nutzt Betriebsgruppen- und Mitgliederversammlungen für entsprechende Anträge und Resolutionen an den ver.di-Bundesvorstand.