In der dritten Verhandlungsrunde haben sich die Verhandlungsführungen der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes mit den Ländern (außer Hessen) auf ein Tarifergebnis geeinigt, was dem TVöD-Ergebnis im Frühjahr nahe kommt.
Die Einigung
Ab dem 1. November 2024 sollen die monatlichen Tabellenentgelte um einen Sockelbetrag von 200 Euro und zum 1. Februar 2025 um weitere 5,5 Prozent (bzw. mindestens auf 340 Euro erhöht werden. Für Auszubildende, Dual-Studierende sowie Praktikant*innen werden die Entgelte zum 1. November 2024 um 100 Euro und zum 1. Februar 2025 um weitere 50 Euro erhöht.
Im Dezember 2023 soll eine Inflationsausgleichsprämie steuer- und abgabenfrei von 1800 Euro und dann in den nächsten 10 Monaten von je 120 Euro gezahlt werden. Das bedeutet, dass die Vergütungen entsprechend der Tabelle für weitere 13 Monate eingefroren werden (der Tarifvertrag lief am 30.09.2023 aus) – das vor dem Hintergrund der letzten beiden Jahre mit Rekordinflation!
Diese Rechnung geht aber nicht auf. Schon für das TVöD-Schlichtungsergebnis hatte der Ökonom Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung für das Ende der Laufzeit einen Reallohnverlust von rund sechs Prozent errechnet.
TVStud-Bewegung ausgebremst
Entgegen aller politischen Bekenntnisse vor den Verhandlungen wurde den studentischen Beschäftigten, die erstmals bundesweit gestreikt haben, ein Tarifvertrag verweigert. Sie werden weder in den TV-L aufgenommen, noch erhalten sie einen eigenen TVStud, sondern sollen mit einer „schuldrechtlichen Vereinbarung“ abgespeist werden. Ob die dazu taugt, die Vertragslaufzeiten wirklich zu verlängern und die Bezahlung immerhin knapp
über Mindestlohn zu halten, muss sich erst zeigen.
Lohntabellen
Natürlich freuen sich die meisten, wenn sie mit Einmalzahlungen auf einen Schlag netto eine größere Summe Geld auf dem Konto haben (wobei sie in Betrieben, die an TV-L angelehnt sind, nicht ausgezahlt werden muss und auch
die studentischen Hilfskräfte gehen hier leer aus). Aber Einmalzahlungen wirken sich nicht auf die Tabellen aus. Die sozialabgaben- und steuerfreie Inflationsausgleichsprämie war ein Ergebnis der „konzertierten Aktion“, welchem
die Gewerkschaftsführungen trotz anfänglicher Ablehnung aufgrund ihrer sozialpartnerschaftlichen Ausrichtung dann doch zustimmten. Damit wurde ein Instrument geschaffen, mit dem in allen Tarifrunden erreicht wurde, dass viel zu niedrige Tabellenerhöhungen abgeschlossen wurden, und Augenwischerei betrieben werden konnte. Auf längere Sicht bedeutet es Reallohnverluste, so auch im Länderbereich. Denn schon im letzten TV-L gab es ab dem Vertragsbeginn 1.10.2021 null Prozent und erst zum 1.12.2022 eine Erhöhung um 2,8 Prozent. Die Inflationsraten betrugen dem gegenüber 2021 3,1 Prozent, 2022 6,9 Prozent, 2023 ca. 5,9 Prozent. Die Zahlen für 2024 liegen natürlich noch nicht vor.. Die Erhöhung um 200 Euro erst im November 2024 und eine Steigerung um 5,5% im Februar 2025 bedeutet entsprechend, dass die Kaufkraft mit den Löhnen zum Ende der Laufzeit mehrere Prozentpunkte unter dem Wert von 2021 liegen wird.
25 Monate Laufzeit
Der Vertrag soll eine Laufzeit von 25 Monaten haben und damit einen Monat länger sein als der TVöD. Laufzeiten von mehr als 12 Monate sind ohnehin zu lang, auch angesichts dessen, dass völlig unklar ist, wie sich die Preise weiterentwickeln. Zudem ist es wieder nicht gelungen, die Laufzeiten von TVöD und TV-L-Tarifverträgen anzugleichen.
Kampfkraft nicht ausgeschöpft
Früh wurde in den Tarifbotschafterkonferenzen gesagt, dass es nicht möglich sei, so viel herauszuholen wie in der TVöD-Runde. Es kommt aber darauf an, ob die Gewerkschaftsführung entschlossen in die Auseinandersetzung geht und eine Strategie für die volle Durchsetzung der Forderungen entwickelt wird. Einige Kolleginnen hatten sogar höhere Forderungen aufgestellt. Es wäre nötig gewesen, frühzeitig aktive Kolleginnen in Vorbereitungstreffen und Konferenzen zusammen zu bringen, um eine Strategie zu entwickeln. Laut Christine Behle haben sich 80.000 Kolleginnen an Warnstreiks beteiligt. Das ist eine gute Beteiligung und es gab beeindruckende Streikkundgebungen. In einigen Städten wurden gemeinsame Streikkundgebungen auch mit den Kolleginnen im Einzelhandel abgehalten, die sich zur Zeit immer noch in der Auseinandersetzung befinden. Dazu kommen im Januar die Bereiche Nahverkehr und Lufthansa-Bodenpersonal, sowie die möglichen Streiks der GdL. Wenn man alle zusammenbringen würde, könnte man einen weiteren heißen Streikwinter bzw. Frühling organisieren!
Gegenwehr statt Sozialpartnerschaft
Es gibt noch einen wichtigen Grund, warum es jetzt nötig ist, keine Verzichtsergebnisse zu akzeptieren und stattdessen Kolleg*innen gemeinsam zu mobilisieren: Mit dem bereits beschlossenen Kürzungshaushalt und den noch zu erwartenden Kürzungen nach dem Richterspruch aus Karlsruhe werden weitere Einschnitte auf viele Beschäftigte zukommen. Dabei ist eins klar. Die Regierung wird keinen Cent bei der Rüstung oder bei weiteren Milliardenhilfen für Konzerne einsparen. Das kann in verschiedener Weise passieren. Aktuell sehen wir durch die Erhöhung der CO2 Steuer und anderen Steuern, wie die Masse der Beschäftigten dann mit erhöhten Energiekosten zur Kasse gebeten wird. Dabei wird versucht werden, die dadurch entstehende Wut auf Migrant*innen umzulenken, wie wir es bereits jetzt sehen. Anstatt stillzuhalten und sich in Sozialpartnerschaft zu üben, müssen die Gewerkschaften gegen alle Kürzungen und Verschlechterungen einen Kampf organisieren. Dabei sollte gefordert werden: Milliarden für Gesundheit, Bildung, Schienenverkehr anstatt für Rüstung, Milliardäre besteuern, sofortige Abgaben auf große Vermögen für dringende öffentliche Investitionen.
Mit Nein stimmen!
Es ist jetzt wichtig, bei der Mitgliederbefragung mit Nein zu stimmen und mit anderen Kolleginnen darüber zu sprechen. Nach Möglichkeit sollten Betriebsgruppen entsprechende Beschlüsse fassen und diese auch öffentlich machen. Auch, wenn es wahrscheinlich nicht gelingt, eine übergroße Mehrheit für eine NeinStimme zu mobilisieren und die meisten sich einfach nicht beteiligen werden, ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen. Darüber hinaus wird aber deutlich, dass wir uns in den Gewerkschaften vernetzen müssen für einen kämpferischen Kurs. Zudem sollten wir uns dafür stark machen, dass die Entscheidungsfindungen demokratisch stattfinden – unter Einbeziehung der betroffenen Kolleginnen. Dies könnte während Streiks durch Streikversammlungen und Streikdelegiertenkonferenzen auf lokaler und Bundesebene gelingen. Diese Delegiertenkonferenzen sollten dann über jeden Schritt im Arbeitskampf entscheiden können und auch darüber, ob ein Angebot so gut ist, dass es in die Belegschaften zurück gekoppelt werden sollte. Dann sollten Abstimmungen in den Betrieben stattfinden, bevor es angenommen wird.
Text wird auch unterstützt von „Ver.di-Linke NRW“
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