Die Bundestarifkommission von ver.di hat nach der vierten Verhandlungsrunde das Schlichtungsergebnis für den öffentlichen Dienst mehrheitlich angenommen und will vom 10. April bis 9. Mai eine Mitgliederbefragung durchführen. Das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di ist der Meinung, dass dieses Verhandlungsergebnis abgelehnt werden muss. Stattdessen braucht es unmittelbar eine Diskussion in den gewerkschaftlichen Strukturen darüber, wie durch eine Fortsetzung des Arbeitskampfs unsere Forderungen durchgesetzt werden können.
Das Geld wäre da!
Seit Beginn haben die Vertreter*innen von Bund und Kommunen behauptet, die Forderungen seien nicht finanzierbar. Aber das ist allein eine Frage des politischen Willens. Kurzfristig war es jedoch möglich, im Bundestag und Bundesrat zu beschließen, unbegrenzt Schulden und hunderte Milliarden für Rüstung anstatt für den öffentlichen Dienst auszugeben! Außerdem werden niemals die Reichen über Steuern zur Kasse gebeten, sondern sie sollen ihre Kassen immer noch weiter auffüllen dürfen. Die Gewerkschaften und allen voran ver.di müssten gegen diese Politik in Opposition gehen. Das bedeutet auch, einen konsequenten Tarifkampf zu organisieren, und diesen durch eine Solidaritätskampagne, angeführt von ver.di und dem DGB zu unterstützen.
Das Ergebnis
Das Verhandlungsergebnis bedeutet nicht nur zu geringe allgemeine Lohnerhöhungen bei einer sehr langen Laufzeit von 27 Monaten, sondern auch die Möglichkeit einer „freiwilligen“ Arbeitszeitverlängerung auf 42 Stunden in der Woche. Aus der Forderung nach drei zusätzlichen freien Tagen ist ein freier Tag ab 2027 und die Möglichkeit, bis zu drei Tage gegen eine leicht erhöhte Jahressonderzahlung einzutauschen bzw zu „erkaufen“. Und das, bei einem Lohnabschluss, mit dem es reale Verluste geben wird. Denn selbst, wenn die offizielle Inflation momentan bei „nur“ 2,3 Prozent liegt, so sind zusätzlich die Krankenkassenbeiträge gestiegen. Zudem steigen Mieten je nach Stadt und die Lebensmittelpreise mit 4-5 Prozent stärker als die Inflation, und das sind nun einmal die wichtigsten Ausgaben.
Mit diesem Abschluss – eingeleitet durch den Chefschlichter Roland Koch – können die Arbeitgeber mehr als zufrieden sein. Entsprechend gibt es großen Unmut unter Kolleg*innen. Auch in der Bundestarifkommission gab es wohl einige, die gegen die Annahme waren. Besonders viel Diskussion gab es über den Vorstoß zur „freiwilligen“ Arbeitszeitverlängerung.
42-Stunden-Woche
Hierzu sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, es sei in den Verhandlungen gelungen, Sicherheiten in den Tarifvertrag einzubauen, dass „wirklich“ niemand zur 42-Stunden-Woche gezwungen werden könne, z. B. wenn man sich in der Probezeit befände. Gerade dieses Beispiel macht deutlich, dass es keine Sicherheit geben kann. Welcher Arbeitgeber würde anführen, dass die Probezeit beendet wurde, weil der/die Beschäftigte nicht bereit war, zukünftig 42 Stunden zu arbeiten?
„Freiwilligkeit“
Was bedeutet Freiwilligkeit? Kolleg*innen aus Dortmund schrieben zurecht in einem offenen Brief: „Eine freiwillige 42-Stunden-Woche ist eine Farce! Eine schleichende Aushöhlung unseres Tarifsystems, ein neoliberales Gift, das darauf abzielt, uns noch mehr auszuquetschen. Wir wissen alle, was „freiwillig“ in diesem System bedeutet: faktischer Zwang, erzwungen durch Arbeitszeitverdichtung, Personalnot und perfiden Druck von oben.“ Wir fügen hinzu: Welche Freiwilligkeit ist gegeben, wenn das Tarifergebnis an sich bereits einen Reallohnverlust bedeutet und das Geld am Ende des Monats nicht mehr reicht?
Neoliberaler Vorstoß!
Dass die Arbeitgeberseite dies durchsetzen will, ist auch kein Zufall. Als Teil einer „Wirtschaftsagenda“ mit weiteren harten Einschnitten planen CDU/CSU und SPD einen Angriff auf das Arbeitszeitgesetz. Nach ihren Plänen würden Schichten von 12/13 Stunden möglich werden! Es ist das Ziel der Kapitalseite, die von den Gewerkschaften und der gesamten Arbeiter*innenbewegung erkämpften Verbesserungen bei den Arbeitszeiten rückgängig zu machen. Sie dürften sich nun die Hände reiben. Eine 42-Stunden-Woche fällt hinter den Acht-Stunden-Tag bei einer 5-Tage-Woche zurück, geschweige die in Teilen erkämpfte 35-Stunden-Woche. Bernd Riexinger, ehemaliger ver.di-Geschäftsführer von ver.di Stuttgart und ehemaliger Ko-Vorsitzender der Linken schrieb zurecht nach dem Bekanntwerden der Schlichtungsempfehlung „Gegen den Vorstoß zur Arbeitszeitverlängerung durch die Arbeitgeberverbände haben wir 2006 neun Wochen gestreikt. Letztes Jahr jährte sich der Kampf um die 35-Stunden-Woche zum 40. Mal. Im ÖD werden immer noch jede Woche 4 Stunden mehr gearbeitet. Längst hätte die kollektive Verkürzung der Arbeitszeit auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen.“
Knebelparagraph für Auszubildende
Zusätzlich zu dem ohnehin schon bestehenden „Treueparagraphen“ im Tarifvertrag sollen jetzt die Bedingungen für die Übernahme Auszubildender in den öffentlichen Dienst verschärft werden. Dort steht nun, dass sie „sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“ Diese sehr auslegungsfreudige Regelung ist eine Drohung für alle politisch interessierten und aktiven jungen Menschen, die die Hürden für die Aufnahme einer Ausbildung im öffentlichen Dienst weiter erhöht. In der Vergangenheit haben wir bereits gesehen, wie beispielsweise das „Liken“ eines Posts, der kritisch dem Krieg in Gaza gegenüber steht, ausgereicht hat, um eine öffentliche Kampagne gegen die Präsidentin der Technischen Universität Berlin auszulösen. Das zeigt, welche einschränkende Wirkung eine solche tarifvertragliche Klausel haben könnte.
Mangelnde Durchsetzungskraft?
Das Argument für die Zustimmung zu diesem schlechten Abschluss lautet wie immer – es gab nicht genügend Streikbereitschaft und einen weiterhin zu geringen Organisationsgrad (obwohl 2023 etwa 200.000 neue ver.di-Mitglieder gewonnen wurden). Wie genau es mit der Streikbereitschaft bestellt ist, wurde nicht transparent gemacht. Oft wird gesagt, ihr seid ja streikbereit, aber im Rest der Republik leider nicht.
Es ist einerseits kein Wunder, wenn viele Kolleg*innen kein Vertrauen mehr darin haben, dass die Gewerkschaften konsequent für ihre Forderungen kämpfen. Das hat natürlich auch langfristig Auswirkungen auf die Bereitschaft der Kolleg*innen, sich einzubringen oder auch an Tarifkämpfen zu beteiligen. Gerade so schlechte Ergebnisse, wie wir es jetzt sehen, werden zu weiteren Austritten führen! Andersherum haben das Streikjahr 2023 und andere Tarifkämpfe gezeigt: wenn die Gewerkschaften offensive Forderungen aufstellen und selbst eine Bereitschaft signalisieren, einen Kampf zu führen, dann können viele neue Mitglieder gewonnen werden und werden Kolleg*innen aktiv!
Transparenz und Streikdemokratie nötig
Es gibt viele Rückberichte von streikbereiten Mitgliederversammlungen. Auch die Antworten auf den Stärkebrief sollen laut ver.di zu etwa Dreiviertel für Streik gewesen sein. Das alles, obwohl die ver.di-Führung dieses Mal mit angezogener Handbremse in die Tarifrunde gegangen ist und die Forderungen von vornherein wenig mobilisierend waren.
Um die genaue Bereitschaft festzustellen, bräuchte es basisnahe demokratische Streikstrukturen. Während der Streiks sollten Versammlungen der Streikenden mit Diskussion über ein Angebot und Abstimmung stattfinden, sowie eine bundesweite Streikdelegiertenkonferenz, um die Entscheidungen zusammenzutragen. Die Streikdelegierten könnten nach gemeinsamer Diskussion darüber abzustimmen, ob der Streik beendet wird und eine Urabstimmung über das Ergebnis eingeleitet werden sollte. Die derzeitige Schlichtungsvereinbarung, nach der die Schlichtung angerufen werden muss, wenn eine Seite das will, muss außerdem endlich gekündigt werden.
Für ein „Nein“ in der Mitgliederbefragung
Es ist wichtig, dass möglichst viele Kolleg*innen mit Nein stimmen. Leider hat auch eine Ablehnung des Ergebnisses bei der Post mit 54% der abgegebenen Stimmen nicht zur Ablehnung des Ergebnisses durch die Tarifkommission geführt. Die Erklärung: man bräuchte 75% für eine Weiterführung des Streiks. Auch das sollte unbedingt geändert werden. Denn es bedeutet, dass eine Minderheit für die Annahme eines Ergebnisses stimmen kann, mit dem dann alle leben sollen.
Gerade die Annahme eines Ergebnisses gegen den Willen der Kolleg*innen, die weiterkämpfen wollen, hat katastrophale Folgen, weil diese dann möglicherweise der Gewerkschaft enttäuscht den Rücken zukehren, obwohl wir genau sie brauchen. Mit einem Angebot, weiterzukämpfen und einer ernsthaften Vorbereitung kann man auch viele von denen, die sich nicht an der Befragung beteiligen oder für Annahme dieser Ergebnisse stimmen, überzeugen. Gerade geht es um nicht weniger, als darum, ob unsere Gewerkschaft in so wichtigen Flächentarifen wie dem öffentlichen Dienst in Zukunft überhaupt noch auf das Vertrauen der Kolleg*innen bauen kann und durchsetzungsfähig ist.
Wir fordern Euch daher auf, mit „Nein“ in der Mitgliederbefragung zu stimmen. Doch das allein reicht nicht. Es wird Zeit, dass kritische und kämpferische Kolleg*innen sich in ver.di zusammentun, um sich gemeinsam für einen Kurswechsel einzusetzen – weg von einer Kompromisspolitik, hin zu einer kämpferischen Strategie und Einbeziehung der Kolleg*innen.
Kommt zu unserem nächsten Zoom-Treffen am 17.4. um 19 Uhr
Zoom link: https://zoom.us/j/9195618420
Mit „Nein“ bei der Mitgliederbefragung im öffentlichen Dienst stimmen und den weiteren Kampf vorbereiten.
– Keine Zustimmung zu Arbeitszeitverlängerung per Tarifvertrag – auch nicht auf „freiwilliger Basis“
– Kein Abschluss mit Reallohnverlust
– Kein Knebelparagraph für Auszubildende
– Für eine Laufzeit von 12 Monaten
– Für eine Kampagne in Betrieben und gewerkschaftlichen Strukturen, um einen Erzwingungsstreik vorzubereiten
– Für einen Tarifkampf für die volle Durchsetzung der Forderungen von 350 Euro mindestens und drei Tagen mehr Urlaub!
Hier unterschreiben: https://tarifkampf2025.wordpress.com/