GDL scheucht verdi

Der Kampf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) um deutliche Lohnerhöhungen für das Fahrpersonal bei der Bahn setzt nicht nur die Gewerkschaft Transnet, sondern auch ver.di unter Zugzwang. In den Nahverkehrsbetrieben Münchens, Berlins und anderer Städte wechselten teilweise ganze Gruppen von ver.di zur GDL. Wohl auch als Reaktion darauf tritt die Dienstleistungsgewerkschaft in aktuellen Tarifkonflikten radikaler auf.

Der Kampf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) um deutliche Lohnerhöhungen für das Fahrpersonal bei der Bahn setzt nicht nur die Gewerkschaft Transnet, sondern auch ver.di unter Zugzwang. In den Nahverkehrsbetrieben Münchens, Berlins und anderer Städte wechselten teilweise ganze Gruppen von ver.di zur GDL. Wohl auch als Reaktion darauf tritt die Dienstleistungsgewerkschaft in aktuellen Tarifkonflikten radikaler auf.

Hohen Besuch hatten die Beschäftigten der Berlin Transport GmbH (BT), die sich am Donnerstag zu einer Betriebsversammlung im Berliner ver.di-Haus versammelten. Ver.di-Chef Frank Bsirske erschien höchst persönlich vor den rund 100 BT-Mitarbeitern, um »Irritationen auszuräumen« und »weil es Probleme miteinander gibt«. Die GDL erwähnte Bsirske zwar mit keinem Wort, dennoch dürfte sein Auftritt in erster Linie deren Existenz – und dem Gewerkschaftswechsel einer Reihe BTler, inklusive einiger Betriebsräte – geschuldet sein.

Die Anfragen sowohl aus der BT als auch aus der Muttergesellschaft BVG hätten in den vergangenen Tagen massiv zugenommen, berichtete Hans-Joachim Kernchen, GDL-Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen, auf jW-Nachfrage. Dies sei insbesondere seit Bekanntwerden des Übertritts mehrerer hundert Fahrer bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (jW berichtete) der Fall. Die GDL sei nicht weit davon entfernt, eine eigenständige Ortsgruppe für die Berliner Verkehrsgesellschaften zu gründen, erklärte Kernchen, der allerdings keine Zahlen nennen wollte.

Diese Entwicklung sei ein »beredtes Zeichen dafür, daß die öffentliche Wahrnehmung der GDL dazu führt, bei den anderen Gewerkschaften die Einsicht zu befördern, wofür sie eigentlich da sind – nämlich dafür, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten«. Kernchen berichtete, Bsirske habe sich bei den zur GDL übergetretenen Betriebsräten gemeldet, um diese von dem Schritt abzuhalten. »Es ist schon bemerkenswert, daß sich der Vorsitzende einer Millionengewerkschaft persönlich um einen Betrieb mit 1600 Beschäftigten kümmert«, meinte der GDL-Mann.

»Wenn sich Kollegen bei uns besser vertreten fühlen, freut uns das natürlich«, sagte GDL-Sprecherin Gerda Seibert auf jW-Nachfrage. Sie bestätigte, daß die Gewerkschaft auch in anderen Nahverkehrsunternehmen Mitgliederzuwächse verzeichne, wollte aber keine konkreten Angaben machen. Wie viele Beschäftigte in Berlin die Gewerkschaft gewechselt haben, könne er nicht sagen, erklärte auch ver.di-Sekretär Lothar Andres gegenüber jW. Und Bsirskes Teilnahme an der Versammlung der BT-Belegschaft sei nicht auf Übertritte zur GDL zurückzuführen, sondern hänge mit dem seit dem 1. September bei der BT geltenden Tarifvertrag Nahverkehr zusammen, an dessen Aushandlung Bsirske beteiligt war. Durch diese Vereinbarung wurden die Tarife für Neueingestellte gegenüber dem alten BVG-Niveau um bis zu 30 Prozent abgesenkt, so daß ein neuer Fahrer mit einem Nettogehalt von kaum mehr als 1100 Euro nach Hause geht. Dies sei »unerträglich«, sagte Bsirske am Donnerstag über die von ihm selbst herbeigeführte Vereinbarung. In der Tarifrunde wolle die Gewerkschaft, so der Beschluß der ver.di-Betriebsgruppe bei der BT, für zwölf Prozent und mindestens 250 Euro mehr kämpfen. »Das geht nur miteinander«, so der Appell des ver.di-Vorsitzenden. Kernchens Kommentar hierzu: »Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, bedarf es mehr als verbaler Bekenntnisse.«