Post: Dafür wurde nicht gestreikt

Post: Dafür wurde nicht gestreikt

dokumentiert: Erklärung des Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di vom 16. Juli 2015

Vorbemerkung: Zwei große Tarifauseinandersetzungen, die ver.di geführt hat, wurden mit schlechten Ergebnissen abgebrochen. Im Gegensatz dazu haben die GDL sowie die kämpferische ver.di Betriebsgruppe an der Charité wichtige Erfolge erzieht. Es sollten jetzt Diskussionen von Aktiven organisiert werden, um die Lehren zu ziehen und um zu überlegen, wie ein kämpferischer Kurs und eine demokratische Beteiligung von unten in den Gewerkschaften durchgesetzt werden kann.
Vier Wochen lang gingen tausende KollegInnen bei der Post in den Ausstand. Das Unternehmen, zu 21 Prozent Bundeseigentum, führte den Arbeitskampf gegen seine Beschäftigten durch Einsatz von Streikbrechern bis hin zu illegalen Arbeitseinsätzen am Sonntag. Wer die Streikdemonstrationen mitbekommen hat, wurde von der Kampfbereitschaft überzeugt.

Dennoch schloss die Ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis am 5.Juli einen Vertrag mit der Unternehmensleitung ab, den der Postvorstand lautstark feierte und der eine große Enttäuschung für die vielen KollegInnen war, die zum großen Teil zum ersten Mal mutig und entschlossen in den unbefristeten Streik getreten waren. Eine Kollegin bezeichnete den Abschluss in einem Interview mit der jungen welt vom 8. Juli 2015 als einen Schlag ins Gesicht aller KollegInnen, die gestreikt haben: „Vier Wochen haben wir gekämpft, wir haben rund um die Uhr Streikposten gestanden. Und jetzt bedeutet dieser Abschluss, dass unser Lohn real sinkt. Und das bei einem Unternehmen, das Jahr für Jahr milliardenschwere Gewinne einfährt!“

Keine Streikdemokratie

Vor allem konnte sich die Unternehmensleitung damit durchsetzen, dass sie weiter ausgründet und neue MitarbeiterInnen in den niedrigen Tarif der Logistikbranche einstuft. Die geforderte Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich fiel gänzlich unter den Tisch. Über das Ergebnis konnten die KollegInnen weder in Streikversammlungen diskutieren, noch gab es eine Urabstimmung.
Mangelnde Streikstrategie der Führung
Es gab keinen Grund für diesen schnellen Abschluss. Die Postarbeitgeber haben sich genauso hart verhalten wie der Bahnvorstand. Auch die Gewerkschaft GDL konnte mit dem Streik wegen der privaten Konkurrenz nur einen Teil des Zugverkehrs lahm legen. Die streikenden Bahn-KollegInnen konnten sich nicht einmal auf die Solidarität der DGB-Gewerkschaften stützen und haben dennoch mit einer konsequenten Haltung ihrer Führung einen Erfolg erzielt. Das wäre auch bei der Post möglich gewesen. Doch die ver.di-Führung holte von 165.000 Beschäftigten am Höhepunkt des Streiks nur etwa ein Fünftel in den Streik. Besonders neuralgische Punkte wie das große Verteilzentrum in Leipzig hätten den Konzernvorstand enorm unter Druck gesetzt, wenn sie einbezogen gewesen wären. Vor allem aber wurde nicht an der Solidarität aus der arbeitenden Bevölkerung angesetzt. Über 63 Prozent waren laut Umfragen auf der Seite der Streikenden.

Gemeinsam kämpfen

Bahn, Post, Amazon, Charité, Einzelhandel: Ein Zusammenführen der Kämpfe, gemeinsame große Protestaktionen bis hin zu einem gemeinsamen Streik von großen Teilen der öffentlichen Daseinsvorsorge lag spätestens im Mai und Juni in der Luft. Die ver.di-Führung hat – als Gewerkschaft mit 2,1 Millionen Mitgliedern – diese Situation vorbeiziehen lassen. Dies sollte in Diskussionen und beim ver.di Bundeskongress bilanziert werden. Für die Zukunft sollte eingefordert werden, die gemeinsame Kampfkraft in gemeinsamen Protestdemonstrationen zu steigern.

Für einen kämpferischen Kurs einsetzen

Viele KollegInnen werden aus Frust ihr Mitgliedsbuch hinwerfen. Das ist der falsche Weg. Gerade die aggressive, kompromisslose Haltung des Postmanagements hat deutlich gemacht, dass wir uns alle auf noch härtere Zeiten vorbereiten müssen. Dafür brauchen wir kämpferische und demokratische Gewerkschaften. Lasst uns gemeinsam dafür einsetzen.