Die Forderungen sind angesichts der Preisexplosion richtig und notwendig! Bei einem Einstiegsgehalt eines Zustellers von rund 2500 Euro Brutto würde die volle Durchsetzung der Forderung etwas über 350 Euro brutto bedeuten.
Es ist wichtig, nun einen ernsthaften Kampf für die möglichst volle Durchsetzung zu führen.
Arbeitsüberlastung und Personalmangel
Die Arbeit bei der Deutschen Post ist schon lange ein Knochenjob. Zustellbezirke werden immer größer, die Paketmengen und der Zeitdruck nehmen immer weiter zu. Trotzdem wurden viel zu wenige neue Kolleg*innen eingestellt, diese dann auch noch zu unsicheren Bedingungen wie Monats- oder Drei-Monatsverträgen. Viele neu eingestellte Kolleg*innen bleiben aufgrund der miesen Arbeitsbedingungen und Löhne nicht lange bei der Deutschen Post. Massiv verschärft wurde der Personalmangel durch die Entlassung von tausenden befristet beschäftigten Kolleg*innen im Frühjahr 2022, welche dann im Sommer und zur Weihnachtszeit fehlten.
Wir sagen: Der Personalmangel ist von der Geschäftsführung selbst verursacht! Eine möglichst volle Durchsetzung der 15 Prozent Lohnerhöhung sind der erste Schritt, um die Arbeit wieder attraktiver zu machen, neue Kolleg*innen zu gewinnen und so die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Wichtig wäre auch, ein Ende der Befristungspraxis zu fordern, auch um befristet beschäftigte Kolleg*innen effektiver in den Kampf einzubeziehen.
Rekordgewinne
Die von den Beschäftigten erarbeiteten Gewinne der DP AG sind von 2018 bis 2021 von 3,2 Milliarden auf 8 Milliarden Euro angewachsen. Für 2022 wird sogar ein Gewinn von 8,4 Milliarden Euro prognostiziert – Gewinne, die über rigorose Einsparungen beim Personal und über Arbeitsintensivierung auf dem Rücken der Kolleg*innen erwirtschaftet wurden.
Die Konzernleitung denkt aber nicht daran, höhere Löhne zum Ausgleich der Inflation zu zahlen. Die Forderungen von ver.di werden als „realitätsfern“ bezeichnet, während 2022 noch 2,2 Milliarden Euro Dividende an Aktionäre ausgeschüttet wurden! Zum Vergleich: Eine Durchsetzung der vollen 15%-Lohnerhöhung würde im Paket- und Briefbereich nach Berechnung der Geschäftsleitung nur rund eine Milliarde Euro kosten und wäre angesichts der enormen Gewinne problemlos machbar.
Ausweitung der Streiks
Die Verweigerungshaltung der Konzernleitung zeigt, dass in der Tarifrunde harte Auseinandersetzungen zur Durchsetzung der Lohnforderungen nötig sind. Entscheidend wird nun sein, das Potenzial in allen Betrieben zu nutzen und den Streik zügig zu einem flächendeckenden Erzwingungsstreik in allen Verteilzentren und Zustellstützpunkten auszubauen, um maximalen Druck auf die Konzernleitung aufzubauen. Dafür braucht es die demokratische Einbindung aller Kolleg*innen auf allen Ebenen des Streiks. Die Organisation des Streiks sollte ausgehend von den Aktiven vor Ort beginnen. Wenn es nur wenige Aktive in lokalen Betrieben gibt, müssen sie von Hauptamtlichen besondere Unterstützung erhalten.
Streikdemokratie
Wir schlagen regelmäßige Streikversammlungen in den Betrieben vor, in denen alle Streikenden zusammenkommen, über neue Entwicklungen informiert werden und gemeinsam diskutieren können. Auf den Streikversammlungen sollten Streikdelegierte gewählt werden, die lokal wie
bundesweit zusammen kommen, um gemeinsam zu beraten und die nächsten Aktionen zu beschließen. Delegierte aus der lokalen Ebene könnten auf einer bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz zusammengebracht werden, um über weitere Schritte zu diskutieren. Es muss insbesondere darüber diskutiert werden, wie in den Streikauseinandersetzungen mit Spaltungs- und Einschüchterungsversuchen durch die Geschäftsleitung vor allem gegenüber den befristet Beschäftigten umgegangen wird, die zum Ziel haben, Kolleg*innen von der Teilnahme an Streiks abzuhalten.
Es sollte keinen Abbruch des Kampfes und keine Annahme eines Ergebnisses ohne Diskussion und Abstimmungen in den Streikversammlungen geben. Das ist eine wichtige Lehre aus dem Post-Streik 2015, als Warnstreiks ohne Urabstimmung in einen mehrwöchigen unbefristeten Streik umgewandelt und ohne Abstimmung unter den Beschäftigten abgebrochen wurden. Die Folge war eine Austrittswelle und noch heute spürbare Distanz unter einer Schicht von Kolleg*innen gegenüber ver.di. Mit demokratischer Einbindung aller Kolleg*innen in den Streik und konsequenter Mobilisierung können Kolleg*innen für den Streik und ver.di (zurück-)gewonnen werden.
Deutsche Post rückverstaatlichen
Die Ursache für die Misere der Deutschen Post hat System. Sie liegt in der Privatisierung und Umwandlung der Deutschen Post in einen Aktienkonzern in den 90er Jahren, mit der die Einführung kapitalistischer Profitlogik im Konzern Einzug gehalten hat. Seitdem wurde das Unternehmen systematisch auf Profit getrimmt. Doch die Arbeitsüberlastung, der Personalmangel und die steigenden Missstände in der Zustellung zeigen, dass ein gewinnorientierter Post-Konzern nicht in der Lage ist, dauerhaft gute Arbeitsbedingungen und eine qualitativ hochwertige Zustellung zu bieten.
In der gesamten Brief- und Paketbranche werden Beschäftigte ausgebeutet. Wenn wir die schlechten Arbeitsbedingungen sowohl bei der Deutschen Post als auch in der restlichen Branche stoppen wollen, dann muss ver.di politisch die Systemfrage aufwerfen und den Kampf für eine Rückverstaatlichung der Post wie auch der gesamten Branche unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und Gewerkschaften, verbunden mit der Wiedereinführung des staatlichen Postmonopols, aufnehmen. Damit könnten die ausbeuterischen Zustände bei der DP AG und in konkurrierenden Unternehmen abgeschafft werden und die Beschäftigten wären in der Lage, gute Arbeitsbedingungen und Zustellqualität dauerhaft zu sichern.
Zur Durchsetzung eines solchen kämpferischen Kurses ist es nötig, dass wir als Kolleg*innen aktiv in ver.di dafür eintreten und uns vernetzen.
Gewerkschaftliche Solidarität aufbauen
Fast zeitgleich gehen auch der Öffentliche Dienst und die Bahn in die Tarifauseinandersetzung. Auch sie sind „systemrelevant“ und auch dort halten unsere Kolleg*innen das öffentliche Leben am Laufen. Gemeinsam koordinierte Demonstrationen und Streikaktionen können die potenzielle Kraft der Gewerkschaften bündeln und so eine starke Tarifbewegung gegen die Abwälzung der Inflation auf die arbeitende Bevölkerung aufbauen. Bisher haben die DGB-Gewerkschaften und der DGB kaum Vernetzungsarbeit in Tarifrunden geleistet, um Kämpfe zu verbinden. Doch jetzt sollte die Möglichkeit ergriffen werden, innerhalb aller DGB-Gewerkschaften systematisch in Betrieben anderer Branchen und auf örtlicher Ebene über die anstehenden Arbeitskämpfe zu informieren und Solidarität aus anderen Betrieben zu organisieren.
Wenn ihr unsere Vorschläge unterstützt, meldet Euch gerne unter info@netzwerk-verdi.de
International: Poststreik in Großbritannien
Seit dem Sommer 2022 befindet sich Großbritannien aufgrund der Preisexplosion in einer lange nicht mehr gesehenen Streikwelle. Es gibt große Streiks bei Bussen und Bahnen, bei der Müllabfuhr, der britischen Telekom und vielem mehr. In dem Kontext führen die britischen Postbeschäftigten seit Mai 2022 einen erbittert geführten Konflikt mit dem Management der privatisierten Royal Mail, in dessen Verlauf es bisher an 18 Tagen zu Streiks unter Führung der zuständigen Gewerkschaft „Communication Workers Union“ (CWU) gekommen ist. Die Postbeschäftigten treten für einen Inflationsausgleich angesichts einer aktuellen Inflationsrate von rund 11 Prozent allein im Jahr 2022 ein.
Die Beteiligung an den Streikposten der CWU war größer denn je. Die regierende „Tories“-Partei steht unter massivem Druck aufgrund ihrer schonungslosen Politik für Konzerne und versucht nun mit Angriffen auf das Streikrecht die Macht der Gewerkschaften zu brechen. Doch in der Bevölkerung hat sich eine breite Unterstützung für die Streiks gefestigt, die mit den neuen Regierungsplänen nur weiter angefacht wird. Auch international brauchen wir die Solidarität unter den Beschäftigten!
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