Verhandlungsergebnis nicht ausreichend!
In den letzten Wochen haben sich tausende Kolleginnen und Kollegen an Warnstreiks und Kundgebungen beteiligt. Die Stimmung war kämpferisch und ver.di konnte auch einige neue ver.di Mitglieder aufnehmen.
Angesichts eines Reallohnverlusts von über 6 Prozent in den letzten Jahren und der enormen Gewinne des Telekom-Konzerns waren die zur Tarifrunde 2024 aufgestellten Forderungen von 12 Prozent, mindestens 400 Euro für die Beschäftigten und 185 Euro für dual Studierende Auszubildende zwar die höchsten Forderungen jeher, aber berechtigt.
Das Geld ist da
Das Unternehmen hat für das Jahr 2023 einen Rekordgewinn von 17,79 Milliarden Euro (2022: 8 Milliarden, 2021: 4,18 Milliarden) zu verzeichnen – Gewinne, die die Beschäftigten erarbeitet haben und die nun zu einem großen Teil an die Aktionär*innen ausgeschüttet werden.
Auch für 2024 bestätigen sich diese Prognosen. „Zwischen Januar und März verzeichnete das Unternehmen zum Beispiel bei den mobilen Service-Umsätzen ein Plus von 3,4 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. (…) Der Gesamtumsatz im operativen Segment Deutschland erreichte im ersten Quartal 2024 6,3 Milliarden Euro. Das war ein Plus von 2,6 Prozent.“ (telekom.com). Bereits die Warnstreiks haben gezeigt, dass nicht alles von allein digital läuft: lange Wartezeiten und Verzögerungen bei Störungen, Bereitstellungen und Ausbau hatten große Auswirkungen.
Das Verhandlungsergebnis
Laut der Pressemitteilungen sollen mit dem Verhandlungsergebnis die Entgeltsteigerungen für Beschäftigte zwischen 8 und 13 Prozent betragen. Jedoch ergeben sich diese Beträge erst nach 18 Monaten, mit der zweiten Erhöhung im August 2025. Wenn die Nullmonate mit betrachtet werden, ergibt sich eine Steigerung von 3 Prozent in den ersten 12 Monaten und je nach Gehaltsgruppe ungefähr zwischen 2,5 und 5,5 Prozent in den nächsten 12 Monaten. Hier zeigt sich, dass eine Erhöhung um einen Festbetrag (hier um 190 Euro ab August 2025) hilft, besonders untere Entgeltgruppen stärker zu entlasten. Insgesamt stehen dem Ergebnis aber ein Nachholbedarf aus den letzten Zeiträumen von über 6 Prozent und eine erwartete Inflation (je nachdem, welches Institut man befragt) von 2,1 und 3,5 Prozent für 2024 und zwischen 1,8 und 2,5 Prozent für 2025 gegenüber. Unterm Strich bedeutet das weiteren Reallohnverlust für alle Beschäftigten; auch wenn dieser für die geringer Entlohnten in 2025 etwas stärker abgefedert wird. Die Inflationsausgleichsprämie von 1550 Euro für Vollzeitbeschäftigte, die im Juni 2024 gezahlt werden soll, sorgt zwar erst einmal für Erleichterung auf dem Bankkonto. Jedoch sollte dieser Ausgleich für vergangene Jahre des Reallohnverlusts gezahlt werden, nicht aber als Teil einer aktuellen Lohnerhöhung. Denn die Inflationsausgleichsprämie wird nicht auf die Tabelle angerechnet. Aus den genannten Gründen sind wir der Meinung, dass dieses Verhandlungsergebnis nicht ausreichend ist und bei der Mitgliederbefragung mit Nein gestimmt werden sollte.
Viele Beschäftigte sagen, der verlängerte Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen sei wichtiger als ein paar Prozente beim Gehalt. Zum einen ist jedoch die Personalabbaumaßnahme in Höhe von ca. 1300 Stellen gerade bei der DT IT dadurch nicht vom Tisch und auch ohne größere Abbauprogramme sinken jedes Jahr die Beschäftigtenzahlen aufgrund altersbedingter Abgänge und anderen sogenannten sozialverträglichen Maßnahmen. Immer wieder wird mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz gedroht, was Arbeitsplätze überflüssig machen soll. Alle Versuche, Beschäftigte für den Fortschritt der neuen Technologien zahlen zu lassen, müssen abgewehrt werden. Die Gewerkschaften sollten fordern, dass Produktivitätssteigerungen nicht dazu verwendet werden, Arbeiter*innen zu entlassen oder Löhne zu drücken. Unternehmen, die mit Angriffen fortfahren, sollten verstaatlicht werden. In öffentlichem Besitz und unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten können Maßnahmen zur Aufteilung der verbleibenden Arbeit ohne Lohnverluste ermöglicht werden. Auch eine qualitativ hochwertige allgemeine und berufliche Bildung bei voller Bezahlung und mit einer Arbeitsplatzgarantie für diejenigen, die dies wünschen, muss erkämpft werden. Gleiches gilt für die Androhung von Verlagerung von Tätigkeiten ins Ausland. Hier müssen die Gewerkschaften der Telekommunikationsbetriebe international Strategien entwickeln, wie Beschäftigte im Inland nicht gegen Beschäftigte andere Länder ausgespielt und zu Streikbrechertätigkeiten gezwungen werden können. Internationale Solidaritätsstreiks gelten in Belgien, Griechenland (unter bestimmten Bedingungen), Irland, Italien, Luxemburg, Norwegen und Schweden bereits als rechtmäßig.
Investitions- und Kostendruck
Als Gründe für das niedrige Angebot und den Stellenabbau werden unter anderem die steigenden Kosten für den Glasfaserausbau und der hohe Konkurrenzdruck genannt. Intern wird auch auf die Renditeversprechen verwiesen, die der Vorstand den Investoren gegeben hatte. „Finanzvorstand Christian Illek plant, die Dividende sukzessive zu steigern und gleichzeitig die hohe Verschuldung von 137 Milliarden Euro abzubauen. In den USA wurde Anfang September zudem ein weiteres Aktienrückkaufprogramm angekündigt, das bis Ende 2024 bis zu 19 Milliarden US-Dollar umfasst. Um diese Maßnahmen angesichts des Investitionsdrucks bei der Infrastruktur finanzieren zu können, sind erhebliche Einsparungen notwendig.“ (eulerpool.com)
Wenn gesagt wird, dass niedrigere Löhne und Stellenabbau aufgrund des Konkurrenzdrucks akzeptiert werden müssen, dann spricht das gegen das Prinzip von Konkurrenz und die Profitausrichtung. Der Konkurrenzdruck verursacht viel Verschwendung, zum Beispiel für Werbung und den parallelen Ausbau von Netzen und Transportketten durch verschiedene Unternehmen. Eine staatliche Telekom unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung von Beschäftigten, Gewerkschaften und Verbraucher*inneninitiativen könnte sowohl die Interessen der Verbraucher*innen besser berücksichtigen, als auch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten deutlich verbessern. Ver.di könnte die Dynamik der Tarifrunde nutzen, um gemeinsam mit Verbraucher*inneninitiativen und dem gesamten DGB Veranstaltungen zu organisieren. Hier könnte über die Folgen der Privatisierungspolitik diskutiert werden und darüber, wie Infrastruktur und Kommunikationsdienste als Teil der Daseinsvorsorge zurück in Gemeineigentum überführt werden können. Darüber könnte auch die Solidarität in der Bevölkerung für den Streik gestärkt werden.
Wie die Forderungen durchsetzen
Die letzten Warnstreiks haben gezeigt, dass eine Kampfbereitschaft bei vielen vorhanden ist und bei jedem Warnstreik haben sich mehr Kolleginnen und Kollegen beteiligt! Auch die Einbeziehung der Bereiche T-Systems und aus dem Privatkundenvertrieb, deren Tarifverträge noch nicht ausgelaufen sind, war positiv. Das waren gute Voraussetzungen, um in dieser Tarifrunde in die Offensive zu kommen. Insgesamt sollte man nicht routinemäßig davon ausgehen, dass man sowieso eine doppelt so lange Laufzeit und nur die Hälfte der geforderten Prozente erreichen kann. Diese Tarifrunde sollte genutzt werden, um dem Vorstand Entschlossenheit und Stärke zu zeigen – und den (noch) nicht streikenden Kolleg*innen, dass sich Kämpfen wirklich lohnt.
Jedoch haben die vielen aktiven Vertrauensleute vor Ort auch mit Resignation und den Folgen der jahrzehntelangen Co-Managementpolitik der ver.di-Führung zu kämpfen. Konzepte zur aktiven Streikbeteiligung wie Streikversammlungen vor den Standorten und Vernetzung auch über soziale Netzwerke wie Facebook oder Whatsapp-Gruppen stehen erst am Anfang. Es hat geholfen, bereits schnell bundesweit Kolleg*innen zeitgleich rauszuholen und zunächst lokal und dann auf regionalen Streikkundgebungen zusammenzubringen.
Das hätte ausgeweitet werden können. Auf Streikversammlungen wäre es möglich gewesen, über weitere Schritte des Arbeitskampfes zu diskutieren, einschließlich Urabstimmung und Erzwingungsstreik. Zusätzlich wäre es ein großer Fortschritt für eine demokratische Streikführung und die Einbeziehung der Kolleginnen und Kollegen, wenn Streikdelegierte auf den Versammlungen gewählt und bundesweit zu einer Streikdelegiertenkonferenz zusammen kämen. Hier könnten Kolleginnen und Kollegen mit Rückkopplung aus ihren Betrieben zu jedem Zeitpunkt über die weitere Arbeitskampfstrategie beraten.
Dabei wäre es auch wichtig, die Solidarität aus anderen Betrieben und Fachbereichen zu mobilisieren, denn ein Erfolg der Beschäftigten bei der Telekom würde auch anderen Kolleg*innen helfen, die später im Jahr in weiteren Tarifauseinandersetzungen stehen, wie in anderen Telekom-Betrieben, aber auch bei der Post oder im öffentlichen Dienst. Deshalb wird es immer wichtiger, betriebs- und branchenübergreifende Solidarität aufzubauen.
Die Erfahrungen aus dieser Tarifrunde sollten maximal genutzt werden, um sich auf kommende Kämpfe vorzubereiten. Wir vom Netzwerk wollen einen Beitrag leisten, Kolleginnen und Kollegen von unten zu vernetzen, über Strategien zu diskutieren und uns für eine kämpferischere Ausrichtung im Arbeitskampf einzusetzen. Nehmt mit uns Kontakt auf: info@netzwerk-verdi.info. Mehr Infos auf www.netzwerk-verdi.de