Tarifrunde 2023 Öffentlicher Dienst und Post: 2. Onlinetreffen zur Vernetzung im öffentlichen Dienst und bei der Post

Beim Online Treffen am 4. April für interessierte Kolleg*innen in ver.di, die sich für einen Streik für die Durchsetzung der Forderungen einsetzen, waren etwa 40 Kolleginnen und Kollegen dabei. Wir diskutierten über das Urabstimmungsergebnis bei der Post und zur Frage, wie es nach dem Scheitern der Verhandlungen und Anrufung der Schlichtung bei Bund und Kommunen nun weiter geht.

Post

Das Ergebnis bei der Post-Urabstimmung betrug 61,7% für und 38,3% gegen das Verhandlungsergebnis. Es ist schade, dass eine Mehrheit für diesen Kompromiss gestimmt hat, obwohl 24 Monate eine viel zu lange Laufzeit darstellen und das Einfrieren der Tabelle bis in den März 2024, bevor es eine Tabellenerhöhung von 340 Euro brutto gibt bedeutet. Wieder wurden die 3000 Euro Inflationsausgleichszahlung genutzt, um das zu kompensieren. Das ist eine Mogelpackung, denn spätestens im nächsten Jahr wird es Reallohnverlust bedeuten. Auch ver.di hatte zuvor gegen eine solche Kompensation argumentiert. Der Abschluss wurde aber dann im offiziellen ver.di-Material als Erfolg verkauft. Es wurde argumentiert, mehr wäre nicht drin gewesen, obwohl es gerade eine klare Urabstimmung für Streik gegeben hatte und dieser Streik nicht einmal begonnen hatte. Da der Streik nicht aufgenommen wurde, gab es kaum Möglichkeiten für Diskussion über das Ergebnis. Bundesweit haben Kolleg*innen vor allem das offizielle Material von ver.di erhalten, in dem die Annahme des Ergebnisses empfohlen wurde. Das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ und andere riefen zur Nein-Stimme auf, allerdings blieb die Reichweite noch sehr begrenzt und die Verbreitung über soziale Netzwerke wurde teilweise unterbunden. Angesichts dessen ist der Prozentsatz an Gegenstimmen bemerkenswert. Es zeigt aber auch, wie wichtig es ist, eine starke Vernetzung von kämpferischen Kolleg*innen und Betriebsgruppen innerhalb von ver.di aufzubauen, um in der Zukunft mehr Möglichkeiten zu haben, sich für eine konsequente und kämpferische Strategie einzusetzen und Mehrheiten zu gewinnen.

Öffentlicher Dienst (Bund und Kommunen)

In Bezug auf die Tarifrunde im öffentlichen Dienst ist die enorm hohe Beteiligung von 500.000 Kolleg*innen an den Warnstreiks hervorzuheben. Das sind mehr als beim letzten Streik im öffentlichen Dienst mit vorangegangener Urabstimmung im Jahr 1992, bei dem damals zusätzlich noch Post, Bahn und der gesamte Nahverkehr involviert waren und an dem sich 330.000 Kolleg*innen beteiligt hatten. Die riesige Beteiligung macht deutlich, wie groß der Druck und die Kampfbereitschaft in dieser Tarifrunde, angesichts der massiven Preissteigerungen und gestiegener Arbeitsbelastung aufgrund Personalmangels, ist. Auch der gemeinsame Streiktag mit den Kolleg*innen war historisch gesehen ein großer Fortschritt, denn er macht deutlich, welches Potenzial an gemeinsamer Durchsetzungskraft vorhanden wäre. Das bedeutet, es gäbe die besten Voraussetzungen für einen Erzwingungsstreik. Das ist auch insbesondere deshalb der Fall, weil eine weitere Koordinierung mit den Bahnstreiks auch in den nächsten Wochen möglich wäre.

Die Schlichtung birgt aber die große Gefahr, dass auch die Tarifrunde im öffentlichen Dienst mit einem schlechten Kompromiss beendet wird. Alle Erfahrungen aus vergangenen Tarifrunden, in denen die Schlichtung angerufen wurde, zeigt, dass sie letztlich zu Ergebnissen führte, die deutlich unter den Forderungen der Gewerkschaften lagen. Tarifrunden sind Verteilungskämpfe im Kapitalismus und es gibt keine Neutralität. Entscheidend ist immer das Kräfteverhältnis und die Möglichkeiten der Kolleg*innen, entsprechenden Druck durch Arbeitskampfmaßnahmen auszuüben. Auch der von ver.di-Seite bestellte Hans-Henning Lühr sollte nicht aufgrund seiner ver.di-Mitgliedschaft als neutral oder gar gewerkschaftsnah betrachtet werden. Seine Biographie zeigt, dass er jahrzehntelange berufliche Erfahrung auf der Seite der öffentlichen Arbeitgeber hat, unter anderem als Staatsrat für den Finanzsenator im Land Bremen, aber auch als Vorsitzender der Kommunalen Arbeitgebervereinigung des Landes Bremen sowie im Präsidium des VKA. Dies war auch bei dem mehrmals von ver.di angerufenen Schlichter Herbert Schmalstieg, eh. SPD-OB von Hannover nicht anders.*

Die Schlichtung wurde von den Arbeitgebern angerufen. Dass diese bindend für die Gewerkschaften ist, liegt an der Schlichtungsvereinbarung, die ver.di mit dem VKA abgeschlossen hat. Hierzu gab es schon Unmut und wurde beispielsweise Ende Januar in einer Streikversammlung mit etwa 300 Kolleg*innen die schnellstmögliche Kündigung beschlossen. Diese Forderung sollte für zukünftige Auseinandersetzungen verschärft auf die Tagesordnung gesetzt werden und in den nächsten Monaten bis zum ver.di Bundeskongress weiter verfolgt werden (ein entsprechender Antrag wurde auf den Weg gebracht).

Wenn es zu einer Schlichtungsempfehlung kommt, folgt eine verpflichtende weitere Tarifverhandlung. Bis dahin (voraussichtlich 22. April) herrscht Friedenspflicht.

Wir haben besprochen, dass es bis dahin wichtig ist, den Druck aufrecht zu erhalten, dass keine Zustimmung zu einem faulen Kompromiss über die Schlichtung zustande kommt und stattdessen ein solches Ergebnis abgelehnt wird, die Verhandlungen zum Scheitern erklärt werden und stattdessen eine Urabstimmung zum Streik durchgeführt wird. Gleichzeitig sollten viele Gespräche im Betrieb geführt werden, um die Streikbereitschaft hoch zu halten. Resolutionen wie zum Beispiel diejenige, die in Leipzig von 100 Streikdelegierten beschlossen wurde, sollten nach Möglichkeit in dieser Zeit in Betriebsgruppen oder anderen ver.di-Gremien eingebracht werden.

2023-03-31 – Resolution Leipziger ÖD und Verkehr 2023-03-31 – Resolution Leipziger ÖD und Verkehr.

Außerdem kann man mit beigefügter Unterschriftenliste auf Kolleg*innen zugehen, um mit ihnen darüber zu sprechen. Sie sollte auch dazu genutzt werden, den Kreis von Kolleg*innen zu erweitern, die sich für einen konsequent kämpferischen Kurs in ver.di einsetzen wollen und Kontakte zu sammeln. Bitte sendet ausgefüllte Zettel zurück an unsere Email Adresse für den Überblick und übergebt sie nach Möglichkeit auch in Kopie an BTK-Mitglieder vor Ort und die örtliche Streikleitung.

2023-04-05 – USListeApril_ÖD

Der Aufbau einer kämpferischen Vernetzung in ver.di ist nötiger denn je. Denn weitere Angriffe auf den Lebensstandard der Kolleg*innen sind vorprogrammiert. Deshalb brauchen wir starke, kämpferische Gewerkschaften nötiger denn je. Es ist aber jetzt auch eine neue Chance entstanden, um eine solche Vernetzung voranzutreiben. Die Anfänge sind gemacht und können in den nächsten Wochen und Monaten weiter verfolgt und konkretisiert werden. Das Interesse daran scheint zumindest zu wachsen. Wir hoffen, dass auch du weiterhin Lust hast, dich dabei einzubringen.

Ein nächstes Online Treffen wird für Montag, den 24.4. wieder um 18 Uhr angesetzt, also nach der voraussichtlich nächsten Verhandlungsrunde. Falls hier andere Termine von ver.di stattfinden, wird die Uhrzeit oder der Tag noch kurzfristig geändert, dazu erfolgt dann eine Info.