Tarifrunde 2023 Öffentlicher Dienst: Resolution der Versammlung der Berliner Team- und Streikdelegierten der TVöD Betriebe vom 20.4.2023

Wir dokumentieren die Resolution der Versammlung der Berliner Team- und Streikdelegierten der TVöD Betriebe vom 20.4.2023:

Wir können mehr erreichen! Gemeinsam für die Rettung unseres öffentlichen Dienstes.
Warum wir für die Ablehnung einer Einigung auf der Höhe der Einigungsempfehlung sind

Die Arbeitgeber haben in den letzten Wochen gezeigt, dass sie nicht bereit dazu sind, die großen Probleme im
öffentlichen Dienst ernsthaft anzugehen. Sie haben in den Verhandlungen und in der Presse den Personalmangel
bestritten und wollten uns mit niedrigen Lohnerhöhungen abspeisen.
Wir sind stolz auf unsere Bundestarifkommission und unsere ver.di Verhandlungsführung, die in den letzten
Wochen so stark unsere Forderungen vertreten haben. Auf die vergangenen Monate – mit einer gut organisierten
Kampagne, Streiktagen und großen Demonstrationen – können wir motiviert zurückschauen.
Die Einigungsempfehlung der Schlichtungskommission ist leider nicht ausreichend. Eine Annahme der
Empfehlung würde die Personalflucht aus dem öffentlichen Dienst nicht stoppen und die Probleme weiter
verschärfen.
Aus unserer Sicht sprechen insbesondere folgende Punkte gegen eine Annahme der
Einigungsempfehlung bei den Verhandlungen am 22.4:
• Für die meisten Beschäftigten wäre es kein echter Inflationsausgleich, wenn man den hohen
Reallohnverlust aus 2022 einberechnet (Reallohnverlust1 2022 im TVöD: -5,5%, Inflation2 2023: 6%,
2024: 2,4% = 13,9%). Für die unteren Entgeltgruppen wirkt sich die Inflation noch deutlich härter aus.
• Die tabellenwirksame Erhöhung würde erst sehr spät ab März 2024 kommen. Die Inflationsprämie in den
ersten 14 Monaten ist nicht gleichzusetzen mit einer echten Lohnerhöhung, da keine Beiträge in die
Renten- und Sozialversicherungen gezahlt werden. Eine Inflationsprämie darf keine tabellenwirksame
Lohnerhöhung ersetzen.
• Die Laufzeit von 24 Monaten ist zu lang. Niemand kann aktuell zuverlässig sagen, wie sich die Inflation
und Weltlage in zwei Jahren entwickeln wird.
Aus diesen Gründen empfehlen wir den Berliner Mitgliedern in der Bundestarifkommission und der BTK
insgesamt einem Verhandlungsergebnis auf dem Niveau der Schlichtungsempfehlung nicht
zuzustimmen.
Bei den Warnstreiks haben wir gesehen, wie viele Kolleg*innen bereit dazu sind, gemeinsam mit uns für
einen guten Tarifabschluss zu streiken. Zehntausende Kolleg*innen haben sich seit Anfang des Jahres neu
bei ver.di organisiert. Der Mega-Streiktag gemeinsam mit der EVG, die Streiks an den Flughäfen, am Hamburger
Hafen oder auch die gemeinsamen Streiktage in den Bezirken haben uns gezeigt: wir können viel erreichen,
wenn wir zusammenstehen!
Wir, als Beschäftigte im öffentlichen Dienstes, halten das Leben in der Gesellschaft am Laufen. Müllentsorgung,
frühkindliche Erziehung, Patientensicherheit in den Krankenhäusern, den Bundesdienststellen, verlässliche
Bürgerversorgung in den Ämtern, die Verkehrswende – All das ist nur mit ausreichend Personal verlässlich zu
sichern. Als Beschäftigte wollen wir nicht für die Kosten der Krise aufkommen und wollen nicht, dass der
öffentliche Dienst weiter kaputtgespart wird.
Während die Arbeitgeber den öffentlichen Dienst an die Wand fahren, wollen wir als Beschäftigte den öffentlichen
Dienst retten. Wir glauben, dass sich das auch sehr gut in der Öffentlichkeit darstellen lässt. Das ist auch die
Erfahrung unser Kolleg*innen aus den Berliner Krankenhäusern bei den Streiks für mehr Personal.
Wenn es notwendig wird, trauen wir uns zu, die Urabstimmung einzuleiten und in einem unbefristeten Streik mehr
zu erreichen und einen echten Inflationsausgleich durchzusetzen.
Kolleginnen und Kollegen in der Bundestarifkommission, liebe Mitstreiter*innen in allen anderen Städten:
lasst uns weitermachen, wenn die Arbeitgeber sich in den Verhandlungen nicht weiterbewegen lassen.
Zusammen geht mehr !

 

1 Inflation von 6,9% und Lohnsteigerung von 1,4% im TVöD ergeben einen durchschnittlichen Reallohnverlust von 5,5%

2 Inflations-Prognose laut Statistischen Bundesamt: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/5851/umfrage/prognose-zur-entwicklung-der-inflationsrate-in-deutschland